Nachhaltig rechnen Menschen mitnehmen „Es muss natürlich alles im Business- plan darstellbar sein, aber man muss das Thema Finanzen weitläufiger se- hen und nicht nur die Errichtungs- sondern auch die Lebenszykluskosten mit einbeziehen“, so Pröwer. „Dann kön- nen auch ökologische Entscheidungen anders getroffen werden; etwa, wenn die Errichtungskosten, die sich meist auf einen Zeitraum von fünf Jahren be- ziehen, höher sind, in der durchschnitt- lichen Lebensdauer eines Gebäudes von 60 Jahren dann aber weniger aus- gegeben wird.“ Ein Ansatz, der bereits mit der Grundsatzentscheidung be- ginnt, ob man nicht besser ein Gebäu- de umbaut als wegreißt und neu baut, denn am nachhaltigsten ist es, wenn man mit der vorhandenen Baustruktur auskommt. „Es wird ein großes Thema werden zu hinterfragen, was ich wirk- lich brauche – allein schon aufgrund der steigenden Baukosten“, ist die Pro- kuristin überzeugt. „Das fängt schon mit der Frage an, ob es wirklich ein neues Headquarter sein muss, weil das alte zu klein geworden ist. Oder ob ich nicht das bestehende erweitern und besser nutzen kann, etwa in dem ich die Mitarbeitenden anders ansiedele. Statt immer gleich zum Statussymbol Neubau zu greifen.“ Derzeit liege der Fokus naturgemäß auf dem Energie- umstieg und CO2-Ausstoß, allerdings sei dabei auch schon vieles durch den verpflichtenden Energieausweis erreicht worden. „Das nächste große Thema wird dann die Kreislaufwirt- schaft sein, weil beispielsweise die Ab- bruchkosten nach oben schnellen, was für Kostenwahrheit sorgen wird.“ Auch die großen Fonds seien weitere Trei- ber in Sachen ESG, außerdem belohne inzwischen der Markt ebenfalls Be- strebungen in diese Richtung. „Eine CBRE-Studie hat jetzt ganz klar gezeigt, dass zertifizierte Gebäude bessere Erträge erbringen, sowohl in der Ver- mietung wie im Verkauf“, berichtet sie. Allerdings könne wirkliche Nachhaltig- keit nur mit diesen Fortschritten allein nicht erreicht werden. „ESG besteht aus drei Säulen: der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen Säule. Wenn ich eine davon missachte, habe ich keine Nachhaltigkeit – ich muss auch die Menschen mitnehmen“, ist Pröwer überzeugt. Eine Notwendig- keit, die weltweit eine wachsende Zahl an Unternehmen durch den Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden zu spüren bekommt. „Immer mehr Unter- nehmen müssen sich in der derzeitigen Situation neu erfinden, denn es werden diejenigen am erfolgreichsten sein, die sich auf ihre Mitarbeiter:innen konzen- trieren.“ Im „War for Talent“ könne man es sich gar nicht mehr leisten, wie noch vor 20 oder 30 Jahren alles aus einem Mitarbeitenden herauszupressen, ohne ihn umgehend an den Mitbewerb zu ver- lieren. Und heute zahlt es sich nicht nur menschlich aus, die Angestellten res- pektvoll zu behandeln. „Jeder Weggang eines Mitarbeiters, einer Mitarbeiterin ist teurer, als wenn man diesen 100 statt 120 Prozent arbeiten lässt“, weiß Pröwer. Neben der richtigen Dosierung der Ar- beitsbelastung spielt bei der Bindung der Mitarbeitenden an das Unterneh- men natürlich auch das Büro, in dem dieses „zu Hause“ ist, eine gewaltige Rolle. Wobei hier nicht für jede Firma die gleiche Lösung funktioniert, wie Pröwer betont. „Wir sind die Übersetzer der Welt in räumliche Struktur“, beschreibt sie es. Dabei sind der Fantasie keine Gren- zen gesetzt, um das Büro zu einem Ort zu machen, an den die Menschen gern gehen, um für die unterschiedlichs- ten Tätigkeiten perfekte und kreative Räume zu finden. Der perfekte Arbeitsplatz Wie also könnte das perfekte Wiener Bürogebäude aussehen, mit dem im „War for Talent“ Mitarbeiter:innen ge- wonnen werden? „Das kann mit einer Dachterrasse auf dem Bau aus massi- vem Mauerwerk oder Holz beginnen, die eine Fotovoltaik-Anlage, intensive Begrünung und Bienenstöcke hat, auf der sich die Mitarbeitenden gern auf- halten. Darüber hinaus kann man Ur- ban Farming-Konzepte andenken, bei denen sich mehrere Menschen um ein Beet kümmern, womit wieder ein sozialer Aspekt gegeben ist“, macht Pröwer konkrete Vorschläge. Außer- dem konzipieren immer mehr Vermie- ter von Büroimmobilien die Eingangs- bereiche so, dass auch die Nachbarn das dortige Café und/oder das freie WLAN nutzen können. Oder setzen gleich auf eine gemischte Gebäudenut- zung, damit das Haus nicht zwei Drit- tel des Tages leer steht. Ganz wichtig seien außerdem E-Mobilität-Angebote wie etwa Car Sharing, eine gute An- bindung an die Öffis oder Radabstell- plätze. Aber auch entsiegelte Flächen, ein papierloses Büro, die konsequente Mülltrennung sowie gesunde Materia- lien. „Und natürlich die Flexibilität, dass ich arbeiten kann, wann und wo ich will, denn es zählen (zukünftig) die Er- gebnisse und nicht die abgesessenen Arbeitsstunden“, so Pröwer. ESG – die drei Buchstaben stehen für die drei nachhaltigkeits- relevanten Verantwortungsbereiche von Unternehmen: Das „E“ für Environment, darunter fallen beispielsweise Faktoren wie Emissionen, Energieeffizienz oder Naturschutz. Das „S“ für Social steht für Themen wie Diversität, Arbeitnehmerrechte, Gesundheitsschutz und das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens (CSR). Unter das „G“ für Governance fallen Aspekte wie Unter- nehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse, die ein nachhaltiges Agieren sicherstellen. 13